Einen entscheidenden Fortschritt auf dem Weg in Richtung neuer ökologischer Flugzeugbaukonzepte hat das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS erzielt. Ein Forscherteam aus Dresden erbrachte innerhalb des EU-Programms Clean Sky 2 im Projekt »Multifunctional Fuselage Demonstrator« (MFFD) den Nachweis zum spanlosen Fügen von kohlenstofffaserverstärkten Bauteilstrukturen aus Thermoplast. Der entwickelte automatisierte Verfahrensansatz verband die obere und untere Hälfte des weltweit größten CFRTP-Flugzeugrumpfsegments.
Die neuartige Bauweise sowie das eingesetzte CONTIjoin-Verfahren ermöglichen neben dem Einsparen von Arbeitsaufwand, wie etwa beim Bohren und Nieten, massive Gewichts-, Material- und Zeitreduktion. Das soll die Produktion zukünftiger Verkehrsflugzeuge schneller, umweltfreundlicher und wettbewerbsfähiger gestalten. Die Forschenden präsentieren ihre Ergebnisse und die Systemtechnik auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung ILA 2024 in Berlin. Produktionstechnologien für den thermoplastischen Rumpf von morgen erforscht ein internationales Konsortium unter der Leitung von AIRBUS. Im Rahmenprogramm »Large Passenger Aircraft« (LPA) gelang es innerhalb des MFFD-Projekts dem Team um Dr. Maurice Langer, Gruppenleiter Kleben und Faserverbundtechnik am Fraunhofer IWS, erstmals weltweit unter Einsatz einer CO2-Laserstrahlquelle das Schweißen langer Verbindungsnähte an großvolumigen thermoplastischen Flugzeugfaserverbundstrukturen außerhalb eines Autoklaven zu demonstrieren. Auf der linken Seite des MFFD erzeugte der am Fraunhofer IWS entwickelte Verfahrensansatz die finale Längsnahtverbindung zwischen der oberen und unteren Rumpfhälfte eines acht mal vier Meter messenden Abschnitts des Flugzeugrumpfsegments aus »Carbon Fiber Reinforced Thermo-Plastics« (CFRTP) – in Originalgröße. Das so genannte CONTIjoin-Verfahren, eine Kombination aus CO2-Lasertechnologie und hochdynamischer Strahlablenkung, regelte in Echtzeit die Laserleistung, um die Temperatur in der Fügezone konstant zu halten und ermöglichte zugleich die automatisierte Anpassung der Strahlfigur im Schweißspalt.
Das neuartige Verfahren macht den Einsatz mechanischer Verbindungselemente überflüssig und verzichtet zudem auf Materialdopplungen wie bei klassischen genieteten Überlappverbindungen. Die Rumpftonne aus geschweißtem, thermoplastischem Verbundwerkstoff wiegt somit deutlich weniger als heute übliche Sektionen. Dies markiert einen wichtigen Schritt im Flugzeugbau unter Einsatz neuartiger Hochleistungsmaterialien, da es das Fügen von hochfesten und schweißbaren Faserverbund-Großbauteilen ermöglicht. Die Herausforderung bestand darin, Materialien wie PAEK zu verarbeiten, das eine für Kunststoffe vergleichsweise sehr hohe Wärmeform- und Temperaturbeständigkeit aufweist. »Herkömmliche Fertigungsverfahren für diese Materialien sind oft energieintensiv und aufwendig«, erläutert Dr. Langer. »Wir haben deshalb gemeinsam mit dem Projektpartner AIRBUS einen Verfahrensansatz entwickelt, in dem wir mittels einer gestuften Schäftungstechnologie Bauteile außerhalb des Autoklaven miteinander fügen können und zugleich hervorragende Festigkeitseigenschaften dieses Verbundes erreichen.« Herkömmliche Verfahren seien in dieser Hinsicht limitiert, insbesondere wenn es um hohe Produktionsraten und großvolumige Bauteilstrukturen der Luftfahrt gehe. Dr. Langer betont: »Neue Materialklassen erfordern innovative Fertigungsmethoden. Erklärtes Ziel war es, am Multifunctional Fuselage Demonstrator das Rumpfgewicht um bis zu eine Tonne zu reduzieren.« Über die Betriebsdauer des Flugzeugs hinweg betrachtet ließen sich aufgrund des geringeren Gewichts und einer verbesserten Integration der Systemarchitektur der Gesamtenergiebedarf, der Treibstoffverbrauch sowie der Ausstoß von Luftschadstoffen wie Kohlenstoffdioxid und Stickstoffoxiden signifikant senken. »Mit dem am Fraunhofer IWS entwickelten CONTIjoin-Verfahren ist uns somit ein wichtiger ökonomischer und ökologischer Schritt für die zukünftige Flugzeugentwicklung sowie angrenzende Anwendungen gelungen«, unterstreicht Dr. Maurice Langer.
Der Schlüssel zum Erfolg lag für das Team darin, die Ober- und Unterschale des Flugzeugkorpus durch kontinuierliche Ablage mehrerer übereinander angeordneter Laminatstreifen, so genannter »Straps«, schrittweise miteinander zu verbinden. Die mit jedem Arbeitsschritt zunehmend von 60 bis 360 Millimeter breiter werdenden Streifen wurden hierzu automatisiert in eine auf den Oberflächen der Halbschalen eingebrachte Stufengeometrie (Schäftung) abgelegt. Die so erzeugten Überlappverbindungen stellen den zunächst unterbrochenen Kraftfluss des Faserverbundmaterials zwischen den Halbschalen wieder her und bilden einen verlässlich lastenübertragenden Verbund. »Eine weitere Besonderheit für diesen Prozess stellt die Wellenlänge des eingesetzten CO2-Lasersystems dar«, fügt Dr. Langer hinzu. Das CONTIjoin-Verfahren biete den einzigartigen Vorteil, dass die Wellenlänge von 10,6 Mikrometern in dem relevanten Kunststoffanteil des Faserverbundmaterials eine deutlich höhere Einkopplung (Absorption) der Laserstrahlung aufweist, als die herkömmlich eingesetzten Faserlaser mit 1,06 Mikrometern. »Dadurch lässt sich der erforderliche Energieeintrag im Bereich der zu fügenden Grenzflächen zwischen den einzelnen Bauteilen auf ein Minimum reduzieren, wodurch die heute typischerweise nachfolgenden Prozessschritte vollständig entfallen.«
Ein weiterer essentieller Technologiebaustein stellt das ebenfalls am Dresdner Institut entwickelte »ESL2-100-Modul« dar. »Damit können wir verschiedenste Sensorsignale verarbeiten und daraus abgeleitet entsprechende Steuerungsalgorithmen implementieren«, erläutert Peter Rauscher, Gruppenleiter High-Speed Laserbearbeitung am Fraunhofer IWS. »Das bietet sowohl die Möglichkeit der Überwachung als auch der adaptiven Steuerung des Schweißprozesses in Echtzeit. Mit herkömmlicher Ansteuerelektronik wäre dies nicht möglich. Damit gelingt es uns zum Beispiel neben der Regelung der Schweißtemperatur entlang des Schweißspalts auch die Position, Breite und Krümmung der Flugzeughalbschalen zu berücksichtigen.« Das Setup bestand zudem aus zwei zusammenwirkenden Bewegungseinheiten, den so genannten Endeffektoren. Die Aufgaben des Straphandling-Endeffektors bestand darin, das aufzubringende Laminat während der kontinuierlichen Ablage präzise zu führen und es konturgetreu breitenabhängig an die Flugzeughalbschalen anzudrücken. Der zweite Endeffektor ermöglichte die Laserstrahlführung sowie pyrometrische Erfassung der Temperatur in der Fügezone. Jeder Endeffektor bewegte sich dafür synchron zum anderen auf einem eigenen linearen Achsensystem, um die Übertragung möglicher Vibrationen oder Verformungen durch das Andrücken der Laminatstreifen von der optischen Strahlführung des Lasersystems zu entkoppeln. Während die konzeptionelle Ausarbeitung und Umsetzung des gesamten Anlagen- sowie Steuerungssystems inklusive Mensch-Maschine-Schnittstelle auf einer vollständigen Eigenentwicklung beruhten, kamen bei den sonstigen eingesetzten Systemkomponenten wie beispielsweise Laserstrahlquelle, Pyrometer oder X-Y-Scannern, kommerziell erhältliche Industriekomponenten zum Einsatz.
Auf diese Weise gelang es, sowohl die Technologieentwicklung als auch die Skalierung und Anwendung des Verfahrens anhand von Großstrukturen aus thermoplastischem Faserverbundmaterial wie dem MFFD zu demonstrieren. Der nächste Schritt besteht nun darin, das Technologie-Reife-Level (TRL) zu erhöhen und somit einen weiteren Schritt in Richtung Qualifizierung der Luftfahrttauglichkeit zu gehen. Dr. Langer erklärt: »Die entwickelte CONTIjoin-Technologie ist nicht nur für den Flugzeugbau interessant, sondern auch für andere Branchen. Die entwickelte Verfahrenslösung könnte so neben der Luftfahrt auch für Anwendungen im Schiffs-, LKW- und Aufliegerbau sowie im Schienenverkehr oder bei der Weiterentwicklung moderner Windenergieanlagen interessant sein.« Eine Herausforderung bestehe darin, die Akzeptanz und den Einsatz sowohl der thermoplastischen Composite-Materialien als auch entsprechender Verfahren in den unterschiedlichen Branchen zu etablieren.